Ein großer Klang für Petershausen

Ein kluger Kopf sowie zwei Hände und Füße ersetzen ein Orchester

Das war ein Konzert zum Staunen: Orgel ohne Orgelkompositionen, dafür mit Wagner-Opernrausch und Dvoráks gigantischen „Neue Welt“-Klängen. Der von Finnland bis Japan, von Amerika bis ins Erzgebirge welterfahrene Organist Florian Wilkens kam dank des Gebhardsorganisten Martin Webers Einladungsaktivität nach Petershausen. Er fand kein das Kirchenschiff überladendes Publikum, das aber für das Erstaunliche mit einem zwei Zugaben würdigen Beifall belohnte.

Orgelkompositionen gibt es reichlich, doch der Solist wollte anderes: Wie kann ein Ein-Mann-Orchester auf der Orgelbank mit zwei Händen und zwei Füßen eine Klangmächtigkeit erzeugen, wozu man sonst mindestens 65 Musiker braucht. Was kommt dabei heraus? Wenn man ein Musiker wie Florian Wilkes ist, erst einmal bei aller Ehrfurcht vor den Original-Noten ein dynamisch massives Schwingungsereignis, ein technisch über alle drei Manuale und Pedale gekonntes Greifen und Treten, ein Verwandlungswunder der Klänge und Ausdrucksangebote. Zuerst wurde das Gotteshaus mit Frömmigkeit (Pilgerchor), Kunstbegeisterung (Minnelied) und Sünde (Venusberg) nach Wagner-Noten erfüllt. Ganz anders klang der Beginn: Wagner imitiert Orgel-sound beim Pilgerchoral (Klarinetten, Fagotte, Hörner), Wilkes ahmt Orchestrales nach, dunkler und fülliger, wie ein Brucknersches Tubenquartett. Die Wagnersche Klang-Erotik wurde weniger scharf inszeniert, ja die lockende Bratsche verlor sich in dichtem Tremolo. Dafür wurde das Minnelied des Tannhäusers bis zur Fortissimo-Ekstase getrieben, nur vom Finalchoral überboten. Dass bei solcher al-Fresco-Massivität einige Nuancen nicht vollends sich profilieren konnten, ist unvermeidlich. Aber die 18 Minuten Wagner hatten Pracht und Klang einer Breitwand-Oper.

Dvoráks „Neunte“ überraschte 45 Minuten lang durch Temperament, großzügige Lautstärke und einen Ausdruck, also sollte die „Neue Welt“ auch klassifiziert werden: Alles eine Nummer größer, nur die Feinheiten etwas lässiger. Die ersten zwölf Takte fordern 14 Lautstärken (pp bis ff), aber das schaffte die Orgel nicht. Es wurde durch Registerunterschied ein anderes Klang- und Weltbild geschaffen. Aber die 32-füßigen Pedaltöne erreichten rhythmisches Paukenformat. Spannung bot der erste Satz, Themenkontraste. Harmonische Fülle und schöne Englischhorn-Klage das Largo (Anfang ppp recht voluminös). Das Böhmisch-Tänzerische des Scherzos kann ein Orchester sicher eleganter und fröhlicher in den Violintrillern und Achtelläufen musizieren.

Das Finale bot ein reiches Registerprogramm. Da ließ der Solist die Gegensätze dramatisch sich begegnen, selbst das Anfangscrescendo (man hörte, dass Dvorák ein begeisterter Eisenbahn- und Dampferspezialist war) nahm auf eine Klangweltreise mit allen Raffinessen der symphonischen Pfeifenkunst mit. Dynamischer Orgelgewinn ohne Dvorákverlust. Dazu gab es noch den zarten Ansatz zum Gesamtkunstwerk: Am Altar wurde auf eine Leinwand die Solisten-Arbeit von der Empore ins Schiff projiziert.

Echte, aber nicht weniger aus dem Fundus rarer Kostbarkeiten stammende Werke wird der Orgelherbst in der St. Gebhardskirche im Oktober und November bieten.

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