Ein großer Klang für Petershausen

Ein Meister zieht alle Register

Bild: Hanser

St. Gebhard wurde zur prächtigen Petershausener Klang-Kathedrale. Der Münchner Orgel-Professor Bernhard Haas zog alle Register, brachte Vielfalt der Stile und Dynamik vom heiteren Bach-Präludium bis zur Massivität Bruckners und scharfen Neuzeit-Dissonanz. Ob er wirklich für zählende Statistiker alle 56 Register zog und alle 30 306 Pfeifen für sein Spiel aktivierte, mag für den Hörenden unerheblich sein. Denn die Kombinationen vom 32-füßigen „Untersatz“ bis zum 2-füßigen „Flageolet“ waren von Takt zu Takt, Werk zu Werk von höchster Spieltechnik und Misch-Phantasie. Das Programm der Herbstkonzerte 2015 hatte der Gebhards-Organist Martin Weber von Murnaus Faust-Film mit Orgelimprovisationen bis zur Bruckner-Symphonie so gewählt, dass Barockes und Romantisches herrschten, aber das Modernere nicht vergessen wurde.

So hörte man, um mit dem Zeitgenössischen zu beginnen, eine Lyrik-Meditation von Thomas Lacôte (geboren 1982) über eine Zeile des Surrealisten Apollinaire: Ein Linienspiel mit Flöten, Trompeten, rasenden Kürzeln und Ballungen von schärfsten Blech-Kurzakkorden gegen sanft zitternde Vox-humana-Gestalten: Aufrüttelnd, expressiv. Das schneidend Aktuelle kam umso stärker zum Ausdruck, weil es dem Mendelssohnschen Biedermeier-Finale der Vater-unser-Sonate folgte. Dieses poetisch mitgeteilte Orgellied-ohne-Worte hatte die ganze melodische Feinheit, die andere Sonaten-Melodien (Choral, kolorierter Cantus firmus, Fugenthema) mit linearer Charakteristik und virtuosem Ornamentspiel gegriffen hatten. Wie der Künstler das Romantische klar, das Klangliche fein gefärbt, das Dynamische belebend musizierte, war so elegant wie das gegenüberstellen anderer Mitteilungsformen.

Herrlich locker (bis auf ein kurzes schwerklingendes Grave in der Mitte) gelangen in Bachs frühem G-Dur-Opus Scarlatti-Fröhlichkeit und Fugenspiel mit munterem Repetitionsstaccato: Kontrapunktik, die nicht schwitzt. Gegensätzlich: Franz Schmidts „Toccata“: Eine Etüde mit unaufhörlichen Sechzehnteln, selbst beim akkordischen Wechsel der rasenden Hände. Aber Registerkunst und Bravour des cantablen Themas ließen die Mechanik vergessen, die das Notenbild zeigt.

Das Ende befolgte mächtig die Anweisung: „Vollwerk mit Zungenstimmen“. Ruhig vorm symphonisch mächtigen Schluss führte der Organist durch mattdunkle harmonische Labyrinth des „Ave Maria“ von Max Reger. Dann aber: Bruckners „Erste“, erster Satz, beginnend mit paukenden, schreitenden Bässen, einem präzis punktierten Thema voller Tritonus-Intervalle, bald darauf ein sanglicher Es-Dur-Duo-Thema, das wieder von Stark-Posaunen bedrängt wird – und dann Durchführungs-Kontrapunkte und hymnische Coda. Das war komprimierte Symphonie mit höchster orchestraler Effektivität: So könnte es geklungen haben, als Bruckner, der Organist von Linz und St. Florian , dieses Werk auf der Orgelbank prüfend für sich selbst uraufführte. Großer Beifall, dafür die achte Bachsche „Invention“.

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